16.01.2023 von Sabine Gilliam
In 242 Tagen bis zum Impfstoff gegen SARS-CoV2 – in 16 Monaten bis zu einem Medikament für Hochrisikopatient:innen: Solch kurze Entwicklungszeiten hatte es in der pharmakologischen Entwicklung noch nie gegeben. Impfstoff- und Arzneimittelentwicklung dauert Jahre – wieso also war es möglich, in der Covid-19-Pandemie diese Zeit derart zu verkürzen?
Ich denke, es sind drei ganz entscheidende Faktoren:
Technologiesprünge im Digitalen
Internationale Datenverfügbarkeit
Neue kooperative Arbeitsformen
Als Pfizer sein späteres Corona-Medikament für Hochrisikopatient:innen gegen schwere oder tödliche Krankheitsverläufe erforscht hat, sagte maschinelles Lernen anhand von Millionen von Datenpunkten voraus, welche Moleküle die besten oralen Arzneimitteleigenschaften haben würden.
Unser Anliegen war, eine Tablette zu entwickeln, die zuhause genommen werden kann, anstatt einer Infusion, die im Krankenhaus verabreicht werden muss. Künstliche Intelligenz (KI) brachte uns rasch auf den richtigen Weg.
Supercomputing reduziert die Gesamtzeit von komplexen Berechnungen um 80 bis 90 Prozent. Eine von Pfizers wichtigsten Substanzbibliotheken mit mehr als 4,5 Milliarden möglichen Wirkstoffen kann heute in weniger als 48 Stunden gescreent werden. Auch bei der Bereinigung der Daten unserer gemeinsamen Impfstoff-Studie mit BioNTech haben wir KI eingesetzt. Sie verkürzte einen Vorgang, der normalerweise 30 Tagen dauert, auf 22 Stunden.
Wir müssen die Datenverfügbarkeit weiter ausbauen, wollen wir die Chancen unserer Zeit nutzen und uns für ihre Risiken wappnen. Ohne den engen Austausch von Wissen und Daten hätten wir in der Hochphase der Pandemie nicht diese beinahe stündlich neuen Erkenntnisse gehabt. Die Welt sähe heute anders aus!
Um Daten sinnhaft zu nutzen, braucht es internationale Standards und gesetzliche Rahmenbedingungen. Dies gilt insbesondere für Deutschland, das während der Corona-Krise von Versorgungsdaten aus dem Ausland abhängig war. Hier müssen wir uns dringend vorwärtsbewegen und brauchen den gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsdaten für akademische als auch privatwirtschaftliche Forschung.
Damit komme ich zum dritten Learning aus der Pandemie: Die Rolle des Knowledge Sharing‘. Die schnelle Entwicklung von Corona-Impfstoff und antiviralem Medikament war unter anderem deshalb möglich, weil Behörden, Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen global an einem Strang gezogen haben. Sie waren bereit, Daten zu teilen, und offen sogenannte Public-Private-Partnerships einzugehen.
Gemeinsame Basis war das wechselseitige Vertrauen. Auf dieses Vertrauen müssen wir in Zukunft stärker setzen. Aktuell erleben wir es immer wieder, dass Positionen verhärtet sind, dass es nur ein „ja“ oder „nein“ gibt. Ein „geht“ oder „geht nicht“. Das passt nicht zum sensiblen Bereich der Gesundheit. Wir sollten indessen ideologiefrei über die Nutzung von Daten sprechen und Risiken und Nutzen sorgsam abwägen. Wir sollten aber vor allem immer den Mehrwert für Patient:innen und Bürger:innen mit bedenken.
DR. SABINE GILLIAM
Country President von Pfizer Deutschland