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Gentherapie : Die Ursache seltener Erkrankungen behandeln

Bereits in den 1990er Jahren hatte man die Vision, vererbbare Krankheiten, die auf Genfehlern basieren, dauerhaft therapieren zu können, indem man funktionierende Gene in den Körper einschleust. Seit dem Jahr 2000 ist das menschliche Erbgut weitgehend entschlüsselt. Ein Gespräch darüber, welche Hoffnungen mit Gentherapien verbunden sind, welches Potenzial sie haben, woran Pfizer forscht und welche Konsequenzen die neuen Therapie für das Gesundheitssystem haben können.

"Gentherapien sind mittlerweile medizinische Realität geworden – und zwar mit großem Zukunftspotenzial für Patient:innen.”Dr. Tobias Lüke Arzt und Medizinischer Direktor für den Geschäftsbereich Seltene Erkrankungen bei Pfizer in Deutschland.
Gentherapie-Definition: Was ist eine Gentherapie?

Der Begriff „Gentherapie“ steht für biologische Arzneimittel zur Therapie oder Prophylaxe genetisch bedingter Erkrankungen. Diese entstehen durch angeborene oder erworbene Fehlfunktionen einzelner oder mehrerer Gene in menschlichen Körperzellen. Eine Gentherapie verfolgt das Ziel, ein fehlerhaftes Gen zu reparieren, auszuschalten, zu entfernen oder durch eine gesunde Kopie zu ersetzen, um die normale Funktion in betroffenen Geweben oder Zellen zu ermöglichen.

Somatische Gentherapie

In Deutschland ist ausschließlich die somatische Gentherapie zugelassen, also nur die Behandlung nicht vererbbarer Körperzellen. Das bedeutet, dass das Erbgut von Keimzellen (Ei- und Samenzellen) durch die Gentherapie nicht gezielt verändert wird, was das Risiko einer ungewollten Veränderung des Erbguts mindert.
Eine somatische Gentherapie ist also formal keine Heilung, da das fehlerhafte Gen im Körper in den Keimzellen weiter vorhanden bleibt, und somit an die Nachkommen weitervererbt werden kann.  Ein häufiger Ansatz ist der, eine gesunde Kopie des ursprünglich defekten Gens in den Körper einzubringen. Dieses sogenannte therapeutische Gen kann die eigentliche Funktion einer Zelle wiederherstellen, indem die intakte Kopie des defekten Gens dessen Aufgaben übernimmt. Man bezeichnet dieses Verfahren auch als Genaddition. Ein fehlerhaftes Gen kann aber auch durch Genome Editierung repariert, entfernt, per Genregulation ausgeschaltet oder in seiner Expression verändert werden.

Gentherapie beim Menschen
  • Mit einer Gentherapie können sich genetische Fehler längerfristig korrigieren lassen – das stellt für Patient:innen mit seltenen Erkrankungen ein großes Potenzial dar. Denn 80 Prozent der rund 8.000 bekannten seltenen Erkrankungen sind genetischen Ursprungs.

  • Die europäische Zulassungsbehörde (EMA) rechnet ab dem Jahr 2025 mit 10-20 neuen Gentherapien pro Jahr. 

  • Auf Therapien der Zukunft wie diese ist unser Gesundheitssystem allerdings noch nicht ausgelegt. Es besteht großer Handlungsbedarf.

Herr  Dr.  Lüke, was können Gentherapien leisten?

Zunächst einmal: Einige Gentherapien sind hierzulande schon verfügbar, dutzende andere werden in den kommenden Jahren folgen. Das sind gut Nachrichten. Denn Gentherapien haben enormes Potenzial für eine deutliche Verbesserung der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit monogenetischen Seltenen Erkrankungen. Menschen mit Erkrankungen, für die es bisher keine Therapien gab, können mit einer einzigen Behandlung entweder sprunghaft eine bessere Lebensqualität erfahren, können vor einem Fortschreiten der Krankheit und/oder sogar vor einem frühen Tod bewahrt werden. Insofern sind Gentherapien entscheidende innovative Therapieoptionen in der zukünftigen Behandlung von verschiedenen Erkrankungen. Die europäische Zulassungsbehörde (EMA) rechnet ab dem Jahr 2025 mit 10-20 neuen Gentherapien pro Jahr. Das zeigt bereits, was Jahrzehnte lange Forschung geleistet hat.

Bei welchen Erkrankungen sind Gentherapien wirksam?

Es geht vor allem um die so genannten ‚Seltenen Erkrankungen‘, von denen allein in Deutschland vier Millionen Menschen betroffen sind – das ist jeder Zwanzigste. Auch wenn wir von Seltenen Erkrankungen sprechen, sind in der Gesamtzahl doch sehr viele Menschen davon betroffen. 75 Prozent davon sind Kinder und – von denen etwa jedes Dritte den fünften Geburtstag nicht mehr erlebt. 80 Prozent der bekannten seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt, also durch ein fehlerhaftes Gen ausgelöst. Und genau da wollen wir mit der somatischen Gentherapie ansetzen: an der Ursache dieser Erkrankungen, am fehlerhaften Gen, bei Menschen, die für eine solche Behandlung infrage kommen.

Welche Gentherapie-Beispiele gibt es?

Derzeitige Formen der Gentherapie werden etwa bei der erblichen Netzhautdystrophie eingesetzt. Von dieser vererbbaren Erkrankung, die auf ein fehlerhaftes Gen zurückgeht, sind Menschen mit abnehmender Sehfähigkeit betroffen. Durch die Behandlung können Betroffene wieder hell und dunkel unterscheiden, sind nicht mehr nachtblind.
Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Beta-Thalassämie, eine Erkrankung der roten Blutkörperchen, von der ebenfalls Kinder betroffen sind. Sie brauchen nach einer Gentherapie keine Transfusionen mehr.

Die Gentherapie hat auch großes Potenzial für Kinder mit Immundefekten oder neuromuskulären Erkrankungen. Was man hier erreichen kann, ist schon spektakulär. Zum Beispiel bei der spinalen Muskelatrophie, einer Erkrankung mit schnell fortschreitendem Muskelschwund: Die Kinder, die eine bestimmte Unterform dieser Krankheit hatten, sind in der Regel bis zum zweiten Lebensjahr gestorben. Und jetzt, mit der Gentherapie, lernen sie laufen, selbstständig essen und vieles mehr.

 

Wo kann es noch zur Gentherapie-Anwendung kommen?

Es existiert eine Reihe von Stoffwechselerkrankungen, die infrage kommen.  Wenn irgendein Zwischenprodukt in der Verwertung unserer Nahrung nicht entstehen kann und Schäden im Körper entstehen, weil sich diese Zwischenprodukte in einem Organ anreichern, können Gentherapien dafür sorgen, diesen Fehler zu korrigieren. Zudem gibt es auch neurologische Erkrankungen, die mithilfe von Gentherapien behandelt werden könnten. Das fängt an bei frühkindlicher Blindheit und geht bis zu ALS.

Dann haben wir ein ganzes Spektrum von seltenen Blut- und Krebserkrankungen, zum Beispiel Patient:nnen, bei denen fehlerhafte rote Blutzellen gebildet werden. Diese brauchen heute noch regelmäßige Bluttransfusionen und können in lebensgefährliche Krisen geraten.

Woran arbeitet Pfizer im Bereich Gentherapie-Forschung?

Wir forschen zu unterschiedlichen Erkrankungen. Am weitesten sind wir bei der klinischen Erprobung einer Gentherapie für die Hämophilie A und B. Das sind Erkrankungen, bei denen die Blutgerinnung gestört ist: Schon bei kleinsten Verletzungen hören die entstehenden Blutungen nicht mehr oder nur verzögert auf. Hämophilie ist heute im Grunde gut therapierbar. Bei Patienten, die für eine Gentherapie in diesem Bereich geeignet sind, könnte es aber zu einem sprunghaften Anstieg der Lebensqualität kommen, weil die Verabreichung einer Gentherapie dafür sorgen kann, dass für einen langen Zeitraum keine Gerinnungsfaktoren mehr täglich oder wöchentlich per Infusion zugeführt werden müssen – was insbesondere für die kleinen Patienten sehr belastend ist.

Wir sind auch in der Entwicklung einer gentherapeutischen Therapie für die Duchenne-Muskeldystrophie aktiv. Das ist eine neurologische Erkrankung, bei der sich schon im frühen Kindesalter Muskeln abbauen. Die Kinder können irgendwann nicht mehr selbstständig laufen, im Verlauf nicht mehr selbständig atmen – und sterben schließlich als junge Erwachsene.

Gentherapie beim Menschen: Was sind die Erfolgsfaktoren in der Zukunft?

Gentherapien werden in der Öffentlichkeit zum Teil kritisch gesehen. Einige Menschen verbinden damit „Designer-Babies“ oder fragwürde Experimente mit dem menschlichen Erbgut. Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen. Es bedarf daher mehr Aufklärung zu Chancen und Limitationen von Gentherapien. Wir brauchen einen intensiveren gesellschaftlichen Dialog zu Gentherapien, um ein differenziertes Verständnis der Anwendung, Verfügbarkeit sowie der Chancen und Risiken von Gentherapien sicherzustellen. Auch die gezielte Förderung und Koordination der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und Mitgestaltung - also eine bessere Vernetzung und Koordination aller relevanten Akteure - muss ein Fokusthema bleiben.

Ein weiterer Punkt ist die Digitalisierung: Das Potenzial ist sehr groß und die Möglichkeiten der Digitalisierung im administrativen und wissenschaftlichen Kontext müssen in Deutschland konsequenter genutzt werden, um qualitativ hochwertige Datengrundlagen für Forschungs- und Entwicklungszwecke zu schaffen – stets unter Wahrung bestehender Datenschutzregelungen. Letztendlich bedarf es aber auch einer Harmonisierung von Standards auf nationaler und europäischer Ebene und dem gezielten Abbau bürokratischer Hürden.

Welche Auswirkungen werden Gentherapien auf das Gesundheitssystem haben?

Gentherapien stehen aufgrund ihrer fundamental neuen Wirkungsweise für einen Paradigmenwechsel in der Medizin und stellen das Gesundheitssystem vor neue Herausforderungen. Um die Potenziale von Gentherapien in der Breite nutzen zu können, muss sich das Gesundheitswesen in Deutschland schnell anpassen und weiterentwickeln. Denn die Versorgung der Patient:innen wird komplexer werden. Dafür bedarf es spezialisierter Behandlungszentren, die die Betreuung koordinieren – angefangen mit der Diagnose, über die Verabreichung der Gentherapie bis hin zur langjährigen Weiterbetreuung. Neben den Zentren müssen dafür auch die digitalen Austausch- und Monitoring-Netzwerke geschaffen beziehungsweise ausgebaut werden. Hier muss sich sehr schnell sehr viel tun.

Was bedeutet das für die Finanzierbarkeit solcher neuen Therapien?

Neue, wirksame und innovative Therapien bedeuten in der Regel zusätzliche Kosten für das Gesundheitssystem.  Aktuell ist das System auf Jahrestherapiekosten ausgelegt und nicht auf einmalige Kosten einer Therapie.

Hinter der Forschung an den neuen Therapien stehen ebenfalls hohe Kosten: Es handelt sich um einen jahrzehntelange Entwicklungsprozess, in dem viele vielversprechende Ideen geprüft werden müssen. Am Ende schaffen es nur wenige – manchmal nur eine Entwicklung zur Marktreife. Die klinischen Studien für diese Seltenen Erkrankungen müssen global organisiert werden, weil nur wenige Patient:innen für eine spezifische Seltene Erkrankung in einem einzelnen Land zur Verfügung stehen und spezielle Anforderungen diesbezüglich existieren. Die Studien laufen deshalb in 15 bis 20 Ländern, jedes Mal mit einer neuen Zulassungsbehörde und logistischem Aufwand.
 

Wie kann der nächste Schritt für die Finanzierbarkeit der Gentherapien aussehen?

Es gibt Lösungsansätze, die gerade unter vielen Beteiligten besprochen und auch schon verhandelt werden: Das sind beispielsweise innovative Vertragsmodelle, bei denen Kosten in Abhängigkeit zum anhaltenden Erfolg der Therapie erstattet werden. Bisher ist die Anzahl umgesetzter alternativer Erstattungsmodelle gering.

Das liegt einerseits an der Notwendigkeit hochgradig individueller Vereinbarungen und einem relativ hohen administrativen Aufwand für alle Beteiligten. Andererseits sind grundlegende Fragestellungen – vor allem zur Erfolgsbemessung oftmals noch ungeklärt. Neue Chancen erfordern neues Denken. Es lohnt sich, denn die Aussicht ist ja sehr positiv: Eine Gentherapie wird nur einmal verabreicht. Es summieren sich dann nicht wie sonst fortlaufende Behandlungskosten, wie beispielsweise bei den wiederholt wöchentlich zu verabreichten Infusionen bei Hämophilie. Das ist ein großer Vorteil für Patient:innen und deren Angehörige.

 

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