Bevor ein Arzneimittel in Apotheken verfügbar ist, muss es ein behördliches Verfahren der Arzneimittelzulassung durchlaufen.
Im Verfahren der Arzneimittelzulassung müssen pharmazeutische Unternehmen anhand von präklinischen und klinischen Studien die Qualität, die Wirksamkeit und die Unbedenklichkeit des Arzneimittels nachweisen.
Wie dieses streng reglementierte Zulassungsverfahren abläuft, erklärt dieser Beitrag.
Inhalt:
Soll ein neues Arzneimittel auf den Markt kommen, muss es zunächst ein Zulassungsverfahren bestehen. Je nach angestrebtem Markt und dem jeweiligen Anwendungsgebiet gibt es unterschiedliche Verfahren:
zentralisiertes Verfahren (Zulassung gültig in allen EU-Staaten plus Norwegen, Island und Liechtenstein, koordiniert über die Europäische Arzneimittel-Agentur, EMA)
dezentralisiertes Verfahren (DC-Verfahren)
Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (MR-Verfahren)
nationales Verfahren, wenn das Medikament nur in Deutschland zugelassen werden soll
Die inhaltliche Bewertung der Zulassungsanträge erfolgt bei allen Verfahren durch die Experten der nationalen Behörden - in Deutschland sind das das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut.
Handelt es sich um Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen für EU-weit rechtlich definierte Erkrankungen oder um Arzneimittel im Interesse der öffentlichen Gesundheit, muss das zentralisierte europäische Zulassungsverfahren genutzt werden.
Auch beim zentralisierten Verfahren, welches über die EMA koordiniert wird, erfolgt die Bewertung durch die Expert:innen aller nationalen Behörden, die sich in einem gemeinsamen Ausschuss über die Bewertung austauschen. Die Zulassungsentscheidung trifft die Europäische Kommission auf Grundlage der Beurteilung dieses Ausschusses.
Für neue Wirkstoffe wird bevorzugt das zentralisierte Verfahren genutzt, da hiermit eine gleichzeitige und EU-harmonisierte Bewertung sichergestellt ist.
Bevor ein neuer Wirkstoff in einem klinischen Studienprogramm bei Menschen eingesetzt werden darf, muss er ein umfassendes sogenanntes präklinisches Programm durchlaufen und bestehen.
Dazu gehören u. a. toxikologische Untersuchungen, in denen der Wirkstoff auf mögliche negative Auswirkungen auf den tierischen/menschlichen Körper getestet wird. Also darauf, ob er eventuell krebserregend, fruchtschädigend, erbgutverändernd oder direkt toxisch durch Herbeiführen des Zelltods ist.
Diese Prüfungen finden zunächst im „Reagenzglas“, an Zellkulturen oder in digitalen Modellen statt. Erst wenn diese Tests die erforderliche Sicherheit belegen, darf der Wirkstoff auf seine Auswirkungen auf den Gesamtorganismus getestet werden.
Diese lassen sich bisher nur an Lebewesen studieren. Deshalb sind bestimmte Versuche mit mindestens zwei Tierarten auch gesetzlich vorgeschrieben. Nur wenn Wirkstoffkandidaten diese präklinischen Tests bestanden haben, kommen sie für den Einsatz an Menschen in den klinischen Studienphasen in Betracht.
Die sich anschließende klinische Erprobung an Menschen erfolgt in der Regel in drei Studienphasen, in denen schrittweise mehr Menschen über eine längere Dauer dem neuen Wirkstoff ausgesetzt werden und die Auswirkungen detailliert dokumentiert werden. Die Teilnahme an klinischen Studien ist immer freiwillig und findet unter Aufklärung aller Risiken statt.
Eine kleine Gruppe (meist unter 100) an gesunden Teilnehmer:innen bekommt unterschiedliche Dosierungen des Medikaments verabreicht. In dieser Studienphase wird der Wirkstoff auf Verträglichkeit geprüft.
Darüber hinaus erfolgen die Bewertung der pharmakodynamischen und kinetischen Eigenschaften (Auswirkungen des Wirkstoffs auf den Körper und Reaktionen des Körpers auf den Wirkstoff, insbesondere Stoffwechselprozesse) sowie die Festlegung der Dosis für die folgenden Studienphasen.
Ausnahme: Klinische Studien mit Arzneimittelkandidaten gegen onkologische Erkrankungen dürfen nicht an gesunden Freiwilligen erfolgen.
Hier wird das Arzneimittel an wenigen Patient:innen geprüft, um die optimale Dosierung festzulegen und erste Erkenntnisse zu Wirksamkeit und Verträglichkeit zu gewinnen. Parallel wird die passende Darreichungsform entwickelt.
Auch hier gibt es eine Ausnahme: Klinische Studien zu Impfstoffkandidaten können nur an gesunden Freiwilligen erfolgen, da die Entwicklung die Verhinderung einer bestimmten Erkrankung zum Ziel hat.
In dieser Phase wird das Arzneimittel an vielen Patient:innen/gesunden Freiwilligen untersucht, um die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu bestätigen.
In dieser Phase orientieren sich die Studien an dem sogenannten Goldstandard der kontrollierten, doppelblinden und randomisierten Studien. Darin erhalten jeweils eine Gruppe den Wirkstoff und eine andere ein Placebo (Arzneimittel ohne Wirkstoff) und/oder ein Vergleichspräparat (kontrolliert).
Die Zuteilung in diese Gruppen erfolgt per Zufallsprinzip (randomisiert) und weder Forschende noch Teilnehmende wissen, wer in welcher Gruppe ist (doppelblind). So wird verhindert, dass bestimmte Ergebnisse als aussagekräftiger interpretiert werden, als sie tatsächlich sind.
Mehr Infos in unserem Podcast “Was in klinischen Studien geschieht”
Die Studienergebnisse sind Bestandteil des Antrags auf Arzneimittelzulassung. Neben den Ergebnissen aus präklinischen Untersuchungen und klinischen Studien sind umfangreiche Informationen zur Herstellung und Kontrolle von Wirkstoff und Fertigarzneimittel sowie entsprechende Sachverständigengutachten für den Zulassungsantrag verpflichtend.
Quelle: https://www.bfarm.de
Auch nach der Zulassung können sich neue Erkenntnisse über die Sicherheit eines Arzneimittels ergeben. Daher werden sicherheitsrelevante Informationen von Ärzt:innen und anderen Angehörigen der Fachkreise sowie von Patient:innen gesammelt und gemeldet.
Jeder und jede Einzelne kann einen Verdacht beispielsweise auf Nebenwirkungen melden, etwa über Meldeformulare der pharmazeutischen Unternehmen, also dem Zulassungsinhaber selbst oder über die Zulassungsbehörden wie Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut und deren Seite für Online-Meldung von Nebenwirkungen.
Gleichzeitig sind die pharmazeutischen Unternehmen verpflichtet, alle sicherheitsrelevanten Informationen ihrer Arzneimittel an das medizinische Fachpersonal weiterzuleiten. Das pharmazeutische Unternehmen und die Behörden können aus diesen Meldungen eine Aktualisierung des Nutzen-Risiko-Profils ableiten und müssen entsprechend die informativen Texte aktualisieren.
Ein Zulassungsverfahren für einen Impfstoff läuft genauso ab wie die Zulassung für andere Arzneimittel:
Forschung und Entwicklung des Wirkstoffes
Präklinische Studien (z. B. an Zellkulturen)
Umfangreiches Studienprogramm in Analogie zu Arzneimitteln
Bearbeitung des Zulassungsantrags
Zulassung des Impfstoffes
Einsatz in medizinischen Einrichtungen
Fortlaufende Sicherheitskontrolle und ggf. Auswertung von gemeldeten Nebenwirkungen
Übrigens: Die Forschung zu einem COVID-19 Impfstoff lief unter anderem deshalb so schnell, weil aufgrund des gesellschaftlichen Bedarfs hohe Investitionen in den Ausbau der Forschungsinfrastruktur und Produktionskapazitäten geflossen sind.
Außerdem ist die Entwicklung von neuen mRNA-Impfstoffen schneller möglich als die von herkömmlichen, weil nur der Bauplan, nicht aber das Antigen neu produziert werden muss. Das beschleunigt auch den Prozess der präklinischen und der klinischen Studien.
Mehr Informationen zur Entwicklung des Corona-Impfstoffs gemeinsam mit BioNTech.
Ein beschleunigtes Zulassungsverfahren ist deshalb schneller als ein reguläres, weil hier in dringlichen Fällen schon während der Entwicklung ein enger wissenschaftlicher Austausch mit den Zulassungsbehörden stattfindet und Kriterien definiert werden, die als Voraussetzung für eine beschleunigte Bewertung erfüllt sein müssen, z. B.:
Es müssen vielversprechende Daten vorliegen, die auf die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels hinweisen.
Der medizinische Bedarf muss hoch sein.
Es darf keine Behandlungsalternative geben.
Zudem kann die Erteilung einer Zulassung mit Auflagen diskutiert werden. Dabei geht es auch um Bedingungen, die zu erfüllen sind, beispielsweise zusätzliche präklinische und klinische Untersuchungen.
Neben dieser Möglichkeit kann man die Arzneimittelentwicklung auch schneller vorantreiben, indem man ihr mehr Ressourcen zur Verfügung stellt. Mehr Personal für die Studiendurchführung, höhere finanzielle Investitionen oder eine verstärkte Zusammenarbeit und Vernetzung unterschiedlicher Institutionen können die Prozesse beschleunigen, ohne dass sich an dem eigentlichen Ablauf etwas ändert.
Zusätzlich zur Möglichkeit des beschleunigten Zulassungsverfahrens gibt es das sogenannte „Rolling Review-Verfahren“, bei welchem immer wieder Teilergebnisse in Datenpaketen der Zulassungsbehörde vorgelegt werden.
Hier fängt die Behörde mit der Bewertung der Daten schon vor dem eigentlichen Zulassungsantrag an. Das bedeutet, das Rolling Review startet vor tatsächlichem Zulassungsantrag.
Da dieses Verfahren sehr viele Ressourcen bindet, wird es in der EU ausschließlich in besonderen Notsituationen mit höchstem medizinischen Bedarf angewendet. Zu Beginn der Corona-Pandemie war dies bei den Impfstoffen der Fall.
Bei Wahl des zentralisierten Zulassungsverfahrens liegen im Schnitt etwa 13 Monate zwischen Antragstellung und Zulassungserteilung durch die Europäische Kommission (Quelle: vfa.de).
Die Kosten der Entwicklung eines neuen Wirkstoffs bis zur Zulassung sind hoch. Sie werden durchschnittlich auf rund zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. Hierbei ist die Forschung (inkl. fehlgeschlagener Projekte) ebenso eingerechnet wie die Aufwände für die klinischen Studien, die oft den Großteil der Kosten ausmachen.
In Deutschland werden diese Kosten in der Regel vollständig von privaten Unternehmen getragen und werden nicht staatlich subventioniert. Hinzu kommen steigende Anforderungen an die Studien, die die Entwicklungskosten in Zukunft erhöhen könnten.
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